(Foto: Daniel Guist)

Auf dem Weg, Geschichte zu schreiben

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Mit einem Erfolg über Kirchheim (Mittwoch, 19 Uhr) hätten die JobStairs GIESSEN 46ers schon einen Sieg mehr auf dem Konto als in der kompletten vergangenen Saison.

Die Teammitglieder winden sich auf ihren Yogamatten und machen unter Anleitung von Physiotherapeutin Kim Schlüter Stretching. Am Rande sitzt Cheftrainer „Frenki“ Ignjatovic und verdreht seinen Oberkörper ebenfalls. Aber nur, um sein Handy aus einer der Taschen seiner Jacke, die über dem Stuhl hängt, zu fummeln. Ein schwäbischer Freund ruft an. Und fragt, ob der Coach ihm noch Karten für Mittwochabend besorgen kann. Was der 57-Jährige gerne erledigt. Schließlich erwarten die JobStairs GIESSEN 46ers ab 19 Uhr die Bozic Estriche Knights Kirchheim. Und der Serbe jede Menge Freunde nicht eben aus der alten Heimat, zumindest aber aus jener Kleinstadt, in der Ignjatovic einst gute Arbeit geleistet hat. Sechs Jahre lang, von 2008 bis 2014, saß er bei den „Rittern“ auf der Bank, ehe er sich von ihnen im Guten trennte und später eine Offerte der MLP Academics Heidelberg annahm.

„Ich habe dort eine tolle Zeit gehabt und alles mitgenommen, was ein Trainer so erleben kann. Aufstieg in die ProA, Abstieg aus der ProA und dann der Klassenerhalt am grünen Tisch, weil die Schwelmer Baskers keine Lizenz bekommen haben. Ich habe in Kirchheim sehr viele Freunde, darunter meinen Trainerkollegen Igor Perovic, den ich den dortigen Verantwortlichen vor vier Jahren empfohlen habe. Da auch mein ehemaliger Assistent Albin Mauz noch an Deck ist, wird die Partie für mich eine ganz außergewöhnliche“, ist „Frenki“ Ignjatovic voller Demut und Anspannung, wenn er an das drittletzte Heimspiel dieser Saison in der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA denkt.

Die Partien dient in jedem Fall der Weichenstellung. Nach dem durch den hart umkämpften 79:78-Erfolg bei den Artland Dragons erfolgten Einzug in die Playoffs ist sie, so der 46ers-Übungsleiter, „der erste Matchball auf dem Weg in den BBL-Pokal der kommenden Spielzeit und zum Heimrecht in der K.o.-Runde.“ Auch wenn die nächsten Aufgaben mit den Osthallen-Partien gegen Kirchheim und Hagen sowie der dazwischen liegenden Reise zu Spitzenreiter Trier nicht von Pappe sind, glaubt Ignjatovic weiter fest an die Fortsetzung der Serie seiner Mannschaft, die von zwölf Rückrundenpartien elf gewonnen hat.

„Wir wollen Geschichte schreiben“, denkt der 57-Jährige dabei weniger an die Einstellung der Siegesserie aus der Saison 1973/74 als an die aktuell 21 Erfolge, mit denen Gießen schon fünf Durchgänge vor Schluss das Resultat aus der Vorsaison eingestellt hat. „Wenn wir zwei unserer noch verbleibenden drei Heimspiele gewinnen, müsste uns der Heimvorteil in den Playoffs sicher sein.“

Dass bei diesem hehren Vorhaben seine beiden Sorgenkinder Robin Benzing und Stefan Fundic eine entscheidende Rolle spielen, kann Ignjatovic nicht verhehlen, wenngleich der Kapitän lacht: „Immer, wenn ich fehle, gewinnt ihr mit einem Punkt Unterschied.“ Samstag in Quakenbrück und unlängst bei RASTA Vechta II (89:88). „Der eine Punkt Differenz würde uns ja auch gegen Kirchheim reichen …“ Für den Ausbau der Siegesserie in jedem Fall, für den direkten Vergleich nach der 99:105-Niederlage Mitte November im Schwabenland nicht.

Wie dem auch sei: Benzing hat Schmerzen im kleinen Finger der linken Hand, ein MRT an diesem Dienstag wird Aufschluss darüber geben, ob er spielen kann oder nicht. Und Fundic zwickt das Knie. Der Big Man ist es jedoch gewohnt, auf die Zähne zu beißen, was seine zwölf Punkte, drei Rebounds und drei Assists im Artland unterstrichen haben.

Wenn die Bozic Estriche Knights Kirchheim in der Osthalle gastieren, dann treffen die beiden aktuell heißesten Teams der ProA aufeinander. Die 46ers-Serie ist bekannt, der letzte 10:0-Sweep der Männer von unterhalb der Burg Teck beeindruckte. Vier Januar-Niederlagen, die letzte am 27. beim 65:82 gegen Trier, ließen Igor Perovics Truppe zehn Siege folgen, die ihnen Rang fünf bescherten. Das Team, das sich hinter Trier die zweitwenigsten Fouls der Liga leistet, reist mit der drittbesten Rebound-Bilanz (hinter Trier und Jena) sowie der ebenfalls drittbesten Ballverlust-Statistik (hinter Gießen und Hagen) an die Lahn.

Und vor allem mit dem mit Abstand besten Scorer des Unterhauses. Michael Flowers, im Sommer auch auf „Frenkis“ Wunschzettel, dem Vernehmen nach aber nicht finanzierbar, steht mit durchschnittlich über 34 Minuten pro Match nicht nur am längsten aller ProA-Profis auf dem Parkett, er trifft mit im Schnitt 21 Punkten auch am besten. Gegen Koblenz waren es gar 33, gegen Jena und Quakenbrück 32. Da der 25-Jährige aus Southfield/Michigan wie gegen Koblenz auch mal sieben oder wie gegen Jena auch mal sechs Dreier einzustreuen pflegt, ist sich  Ignjatovic sicher: „Den sehen wir kommende Runde in der Bundesliga.“

Den Ausfall von Kayne Henry, der sich Anfang März gegen Paderborn einen Achillessehnenriss zuzog und deshalb rund neun Monate pausieren muss, haben die Knights prächtig weggesteckt. Weil 2,11-Meter-Center Nick Muszynski bei zwölf Zählern schon mal sechs Rebounds zu pflücken pflegt. Weil ihm der Deutsch-Chilene Aitor Pickett sowie Antonio Dorn unter den Brettern eine wertvolle Unterstützung sind. Weil Michael Miller zu seinen für gewöhnlich 15 Punkten und vier Assists auch knapp sieben Abpraller in die Arme fallen. Und weil Demetrius Ward an der Freiwurflinie selten patzt.

Sie alle sollen den JobStairs GIESSEN 46ers aber im Bemühen, Geschichte zu schreiben, nicht im Weg stehen …

 

02.04.24

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