Der Dorn der Frankfurt-Niederlage steckt bei „Frenki“ Ignjatovic auch vor den Heimspielen gegen Karlsruhe und Paderborn noch tief
Der Knock-out von Frankfurt hat „Frenki“ Ignjatovic getroffen wie ein Schwinger von Mike Tyson: erschüttert bis ins Mark, tagelang gezeichnet und mit Nachwirkungen, die vielleicht noch gar nicht abzusehen sind. „Geschockt“ sei er gewesen nach dem 27-Punkte-Hieb am Main, eine passable Erklärung fehle ihm bis heute, das 67:94 tue „sehr weh“. Wer in diesen Tagen mit dem Coach der JobStairs GIESSEN 46ers redet, der hat den Eindruck, die Schmach im Hessenderby, die zweite in dieser Saison, liege erst wenige Stunden zurück und die kommenden Aufgaben noch Lichtjahre entfernt.
„Ich möchte nichts schönreden und keinesfalls davon philosophieren, meine Jungs hätten einen Blackout gehabt“, bekennt der 57-Jährige, der nach eigener Aussage vor Leidenschaft brenne und eben jenen Ehrgeiz in sich verspüre, der notwendig sei, um den Traditionsverein wieder nach oben zu bringen. Wenn Ignjatovic ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann hat er dieses Feuer in den Augen bei seinen Jungs in der Ballsporthalle Höchst vermisst. Schmerzlich vermisst!
Seine Truppe sei zum Gipfeltreffen der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA nach fünf Siegen in Serie voller Selbstvertrauen gereist, sei gut vorbereitet gewesen und habe sich auf die Partie gefreut. „Doch in Frankfurt waren sie alle wie gelähmt, ich kann mich nicht daran erinnern, auch nur einen Lichtblick entdeckt zu haben.“ Hunderte 46ers-Anhänger seien bei der Vorführung live dabei gewesen, „mir bleibt nur, mich bei ihnen zu entschuldigen und zu hoffen, dass sie uns weiter unterstützen.“ Jetzt gelte es, den Bock schnell umzustoßen und nach vorne zu schauen, „auch wenn der Dorn der Niederlage noch immer tief in mir steckt.“
15 Siege haben seine Jungs in 23 Partien eingefahren, „17 reichen erfahrungsgemäß, um die Playoffs zu erreichen“, so Branislav Ignjatovic, der diese am liebsten schon am kommenden Wochenende unter Dach und Fach bringen möchte. Auch wenn die beiden Teams, die innerhalb von nur 44 Stunden ihre Visitenkarte in der Osthalle abgeben, keine Laufkundschaft sind. Vor allem nicht die PS Karlsruhe LIONS (Freitag, 19 Uhr), die mächtig auf die Tube drücken, um unter den besten Acht zu bleiben. Auch nicht Schlusslicht Gartenzaun24 Baskets Paderborn (Sonntag, 15 Uhr), das sich noch lange nicht aufgegeben hat und nach dem letzten Erfolg in Düsseldorf selbstbewusst nach Gießen reisen wird.
„Gegen Karlsruhe sind wir nicht in der Favoritenrolle“, backt „Frenki“ Ignjatovic nach der Schmach vom 18. Februar kleinere Brötchen. „Die Löwen sind eine athletische und aggressive Truppe, die sich nach anfänglichen Problemen gefunden hat und die brandgefährlich ist.“ Dem haudünnen 78:77-Erfolg zum Saisonstart in der mit 310.000 Zuschauern drittgrößten Stadt Baden-Württembergs misst der Gießener Übungsleiter keine Bedeutung mehr zu, „sie werden uns das Maximum abverlangen.“
Was auch für Paderborn gelten wird, das mit zwei neuen US-Boys zur Halbzeit noch einmal mobil gemacht hat. „Sie haben uns im letzten Jahr in der Osthalle schon einmal besiegt, das möchte ich nicht nochmal erleben“, hat Ignjatovic noch das 99:102 vom 17. Dezember 2022 in unguter Erinnerung. Dass nur fünf Wochen später mit den PS Karlsruhe LIONS der zweite Gegner dieses Wochenendes beim klaren 104:90-Auswärtserfolg die Osthalle erstürmte, erwähnt der Serbe nicht, weiß aber wohl, was die Stunde geschlagen hat.
Denn mit den PS Karlsruhe LIONS stellt sich ein Team in der Sporthalle Ost vor, dass sich – entgegen aller Erwartungen – doch zu einem heißen Playoff-Kandidaten gemausert hat. Topscorer und Top-Rebounder Maurice Pluskota (Koblenz), Regisseur Bazoumana Kone (Würzburg), beide mit Gießener Vergangenheit, und Lovell Cabbil (Gornicza/Polen) rissen nur auf den ersten Blick Lücken in den Löwen-Käfig. Mit O´Showen Williams (Würzburg), Bakary Dibba (Tübingen) und Garai Zeeb (Trier) kamen drei starke Schützen ins Badische, die unter den besten 15 der gesamten ProA zu finden sind. Pointguard O´Showen Williams, zu Saisonbeginn noch verletzt, serviert im Schnitt fast 16 Punkte. Beim Sieg über Koblenz waren es gar 32, bei dem gegen die Artland Dragons immerhin 24. Dänemarks Big Man Bakary Dibba ist stets für 15 Zähler gut, hinzu kommen durchschnittlich noch über sieben Rebounds. Und Garai Zeeb, an der Mosel nach der Verpflichtung zahlreicher weiterer Hochkaräter vorschnell aussortiert, markiert meist 14 Punkte, dazu im Schnitt noch fast fünf Assists.
Da auch der aus Slowenien gekommene US-Forward Dennis Tunstall (neun Punkte, sechs Rebounds) inzwischen liefert, Kapitän Julian Albus nach langer Verletzungspause wieder zurück ist, der im Januar aus Belgien gekommene Victor Bailey den enttäuschenden Adam Seiko mehr als ersetzen konnte, der australische Regisseur Lachlan Dent (23 Punkte bei der knappen 71:73-Niederlage gegen Tabellenführer Trier) eine wertvolle Alternative zu Garai Zeeb darstellt und weitere deutsche Spots durch Kämpfer Melvin Jostmann und den quirligen Dominic von Waaden gut besetzt sind, hat sich Karlsruhe bis auf Platz sieben des Tableaus emporgearbeitet. Von den letzten 14 Partien haben die Männer des kroatischen Übungsleiters Aleksandar Scepanovic, unterstützt durch Aleksandar Nadfeji, dessen Junior Nemanja für die Gießen Pointers aufläuft, immerhin neun gewonnen. Darunter kürzlich in Frankfurt (80:69), in Dresden (92:89) und in Münster (84:64), also bei Teams, die ebenfalls auf die so lukrativen Playoff-Plätze schielen.
Sonntags-Gegner Gartenzaun24 Baskets Paderborn liegt derzeit auf dem letzten Rang und zusammen mit den Artland Dragons schon vier Zähler hinter dem rettenden Ufer, die Ostwestfalen allerdings haben allen Grund, mit Fortuna zu hadern. Sie entschieden nur zwei der vergangenen 14 ProA-Partien zu ihren Gunsten, verloren aber beispielsweise in Bochum (74:77), gegen Spitzenreiter Trier (93:94 in der Overtime), gegen Koblenz (75:79), gegen Quakenbrück (89:94), in Trier (85:87) oder gegen Dresden (100:106) jeweils erst in den Schlusssekunden. Noch hat sich der ehemalige Bundesligist nicht aufgegeben, was der letzte souveräne 88:71-Erfolg in Düsseldorf, wo der Trainerwechsel verpufft ist, unterstrichen hat.
US-Forward Jubril Adekoya (kam aus Sheffield) und sein den Spielaufbau regelnder Landsmann Jake Biss (vom College) verstärkten Paderborn im Januar, hatten zunächst Anlaufprobleme, haben sich aber inzwischen an die zweite deutsche Liga gewöhnt. Jubril Adekoya gefiel zuletzt gegen Bochum mit 13 Punkten und sechs Rebounds, Jake Biss punktet durchgängig zweistellig, außerdem ist er stets in der Lage, sechs Rebounds oder auch sechs Assists einzustreuen. Die Paderborner US-Guards Hutton Yenor, Quashawn Lane und Zach Chappell servieren alle im Schnitt zwölf Zähler, was auch auf Center Lars Lagerpusch zutrifft, der zudem noch für durchschnittlich fünf Rebounds zu haben ist. Drei Double-Double des Ex-Braunschweigers gegen Bochum, Dresden und die Artland Dragons sprechen zudem für die Fähigkeiten des 2,07-Meter-Hünen, der im System des bereits in der fünften Saison in Ostwestfalen tätigen Coaches Steven Esterkamp eine zentrale Rolle spielt.
Auch „Frenki“ Ignjatovic möchte lange in Gießen bleiben. Ohne allzu oft Pleiten wie die in Frankfurt erleben zu müssen …
28.02.24