„Gießen hat viele Waffen“

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Ex-46ers-Trainer Denis Wucherer vor seiner Rückkehr in die Osthalle über sein aktuelles Team, seine Gefühle und seinen ehemaligen Club

Denis Wucherer sitzt vor dem Fernseher. „Ich schaue Videos unseres kommenden Gegners“, wird der 50-Jährige wie immer nichts dem Zufall überlassen. Am Freitag (19 Uhr) gastieren seine FRAPORT SKYLINERS in der Osthalle bei den JobStairs GIESSEN 46ers. Es ist an Spieltag fünf der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA das Topspiel schlechthin. 6:2- gegen 8:0-Punkte, der Rangsechste prüft den Primus.

Und vor allem: Wucherer kehrt wieder einmal an seine alte Wirkungsstätte zurück. Zwischen 2013 und 2017 hatte er den fünffachen Deutschen Meister von der Lahn nicht nur zurück ins Oberhaus, sondern fast sogar in die Playoffs geführt. „Es war eine wilde Zeit“, erinnert sich der 123-fache Nationalspieler, der zwischenzeitlich in Köln und Würzburg auf der Bank saß.

Inzwischen lebt der gebürtige Mainzer in Frankfurt, genauer gesagt in Unterliederbach, „fußläufig zu unserer Spielhalle.“ Und bereitet sich in aller Seelenruhe aufs nächste Match vor. Keine Hausaufgaben mehr betreuen, nichts kochen – die beiden Söhne des ehemals alleinerziehenden Vaters leben nicht mehr mit ihm unter einem Dach. James (17) und Keegan (16) besuchen ein Basketball-Internat in Südafrika. Und Papa Denis, Berater der Einrichtung, fliegt so oft es geht ans Kap der Guten Hoffnung, um Trainer auszubilden, vor allem aber, um seine Jungs zu sehen.

Denis, du hattest sehr erfolgreiche Jahre in der Osthalle. Mit welchem Gefühl kehrst du zurück, schließlich war dein Abgang 2017 nicht ganz freiwillig …

Ja, es stimmt, ich wäre gerne in Gießen geblieben, ich konnte mich mit dem damaligen Geschäftsführer aber nicht auf eine bestimmte Vertragslaufzeit einigen. Das war echt schade, denn meine Jungs haben sich in Gießen sehr wohl gefühlt. Sie hatten hier ihre Freunde und wollten die Schule nicht wechseln. Ich hege aber keinen Groll und freue mich, zurückzukehren. Am Mittwoch gegen Koblenz war ich bereits eine Halbzeit lang in der Osthalle. Einige Leute haben mich wiedererkannt und angesprochen, das war sehr angenehm.

Du bist erfolgreich mit den FRAPORT SKYLINERS in die Saison gestartet. Für dich überraschend erfolgreich?

Ein wenig schon. Wir waren spät dran mit der Teamzusammenstellung, da waren uns andere weit voraus. Außerdem haben wir viele Rookies, viele ProA-unerfahrene Spieler an Bord. Insofern ist es schon außergewöhnlich, dass sich die Mannschaft schon so früh gefunden und vor allem gepunktet hat. Am Anfang einer Saison zu siegen, nimmt immer den Druck vom Kessel.

Ist der Aufstieg Pflicht?

Sagen wir es mal so: Ich habe einen erfolgsabhängigen Vertrag, was bei einem BBL-Absteiger, der gerne wieder nach oben möchte, nichts Ungewöhnliches ist. Ich verfüge über eine junge, hungrige Truppe, die gerne nach oben möchte. Dies ist jedoch ein langer und beschwerlicher Weg.

Deine Verpflichtung am Main hat im Sommer viele überrascht. Ist Liga zwei unter deinem Niveau?

Die Situation für einheimische Coaches ist in Deutschland nicht einfach. Viele Clubs setzen auf ausländische Trainer, was beispielsweise in Spanien oder Italien gar nicht möglich wäre. Da die Jobs rar sind, tummeln sich inzwischen viele deutsche Haudegen auch in der ProA. Ich kann nur sagen, dass mir die Aufgabe in Frankfurt riesigen Spaß macht.

Wie stark sind die Gießen 46ers in dieser Saison?

„Frenki“ Ignjatovic, den ich sehr schätze, hat eine interessante und mit Erfahrung gespickte Truppe zusammenstellen können. Sie haben viele Waffen, nicht nur Robin Benzing und Stefan Fundic. Auch Duane Wilson und Simon Krajcovic sind Guards, die nicht so einfach zu haben sind. Die 46ers finden stets Wege, Partien noch umzubiegen, das beeindruckt mich. Es spricht für ein richtig cooles Coaching.

Was erwartest du vom Hessenderby am Freitag?

Die Stimmung wird top, die Osthalle wird laut und voll sein. Darauf sollten wir uns einstellen, wir müssen schlicht die Nerven in diesem Hexenkessle behalten. Um in einer solchen Atmosphäre zu bestehen, müssen wir clever sein und Niveau zeigen. Für uns als Trainer, aber auch für die Spieler, wird das Match sicher ein Erlebnis. Ich freue mich riesig auf diesen Abend.

 

24.10.23

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