Er war ein Multitalent, er war als Trainer der Meistermannschaft von 1965 auf der Trainerbank noch blutjung – er war immer ein bisschen unorthodox. Peter „Pit“ Nennstiel stellte mit seinen taktischen Vorgaben die Weichen für den Gewinn der erste deutschen Basketballmeisterschaft des MTV 1846 Gießen.
Gerade einmal dreißig Lenze zählte der waschechte Schlammbeiser im unvergessenen Finale von Heidelberg. Und doch hatte er schon das kalte Blut, in den hektischen Schlusssekunden noch eine Auszeit zu nehmen und die richtige Entscheidung zu treffen. Nennstiel: „Das sind Erlebnisse, die mir ewig in Erinnerung bleiben.“ 15 Sekunden vor Schluss bei dem oft beschriebenen ein Punkte Rückstand (67:68) gegen den VfL Osnabrück beantragte Coach Nennstiel eine Auszeit. Die finale Taktik, das Himmelhochjauchzen oder das zu Tode betrübt legte Nennstiel in die Hände von zwei Spielern. Holger Geschwindner, weil Nennstiel wusste,
dass der der beste Dribbler im Team war. Und Ernie Butler, weil Nennstiel es einfach im Bauch hatte, dass „Ernie den Ball im Korb versenken würde.“ Und das, obwohl der US-Spieler des MTV an diesem Tag bis zum alles entscheidenden Zeitpunkt nicht gerade einen Sahnetag erwischt hatte. Aber – wie wir heute wissen – das möglicherweise ein bisschen unortodoxe Vorgehen war von Erfolg gekrönt. Butler traf beinahe von der Mittellinie aus. Der MTV 1846 Gießen kann in diesem Jahr den vierzigsten Geburtstag seines ersten deutschen Titelgewinns feiern.
Wie einige seiner Spieler, so war auch Pit Nennstiel von Hause aus kein Basketballer. Der 1934 in Gießen geborene, heute pensionierte Studiendirektor, trieb zunächst im Fußball, im Handball, beim Wasserball „sein Unwesen“. Und das immer mit Erfolg. Da sprangen schon mal Hessenmeistertitel heraus mit den Wasserballern und Vereinsmeistertitel bei den Kickern in der D-Jugend. Schließlich aber musste sich Nennstiel für eine Sportart entscheiden, denn das Hobby des Schülers auf dem Landgraf-Ludwig-Gymnasium drohte in Stress auszuarten: „An einem Wochenende nahm ich mit den Basketballern, den Fußballern und den Wasserballern gleichzeitig an drei Turnieren teil und pendelte mit dem Fahrrad hin und her.“ Er entschied sich für den Basketball – mit dem eingangs beschriebenen Ergebnis.
Aber auch als es Pit Nennstiel berufsbedingt nach Nidda verschlug, blieb er seiner ungewöhnlichen, aber meist erfolgreichen Zugehensweise auf die taktischen Finessen im Mannschaftssport treu. Er übernahm eine D-Jugendmannschaft im Handball und führte kurzerhand eine völlig unbekannte Taktik ein, die völlig unortodoxe 3-2-1 Abwehr. Nennstiel: Der Gegner war so verwirrt, dass wir neunzig Prozent der Bälle abfingen. Wir gewannen jedes Spiel mit dreißig Toren Unterschied.“
Beim Fußball irritierte er als Coach des SC Viktoria Nidda die gegnerischen Verteidigungsformationen, indem er seinem manngedeckten Mittelstürmer mit auf den Weg gab, gemeinsam mit dem Verteidiger immer beim Libero zu sein. Die Verteidiger standen sich so selbst im Weg und der SC Viktoria schoss die Tore. Seinen Stempel drückte er schließlich auch noch dem Gymasium in Nidda auf, dass zum Schulsportzentrum ernannt wurde und mit seinen Volleyball-Teams zweimal Hessenmeister wurde. Heute lebt der gerade siebzig Jahre jung gewordene, der zwischendurch auch immer noch Zeit fand, für den Gießener Anzeiger und den Kreis-Anzeiger über den heimischen Sport zu berichten, in seiner neuen Heimat Nidda und freut sich bereits auf das Wiedersehen mit seiner 65er Mannschaft am 22. April in Gießen, die noch einmal vollständig in der Osthalle auflaufen wird.
Text: Wolfgang Lehmann