Die LTi GIESSEN 46ers haben am Sonntagabend durch einen 93:87 (46:38)-Heimsieg gegen ratiopharm Ulm ihre Negativserie von sieben BBL-Niederlagen in Folge beendet. Vor 3620 Besuchern in der Sporthalle Gießen-Ost zeigten die Gastgeber eine kämpferisch überzeugende Leistung, Teamplay und große Treffsicherheit – 60 Prozent der Feldwurfversuche saßen.
Eine Woche, nachdem er bei der 67:78-Niederlage in Köln seine wohl schwächste Saisonleistung gezeigt hatte, präsentierte sich der abstiegsgefährdete Erstligist aus Mittelhessen gegen den Tabellenzwölften aus Ulm von einer anderen, besseren Seite. Kampfgeist und Einsatzbereitschaft stimmten bei den in der Formation Obie Trotter, Michael Umeh, Seamus Boxley, Gerrit Terdenge und Bill Phillips ins Spiel gestarteten Gießenern von Beginn an. Zudem hielten sich die sehr intensiv und entschlossen zu Werke gehenden 46ers-Korbjäger konsequent an die taktische Vorgabe, den Ball ans Brett der ratiopharm-Truppe zu bringen und dort vor allem Jeff Gibbs und Konrad Wysocki, die beiden erfolgreichsten Punktesammler des Gegners und besten Rebounder der Liga, unter Druck zu setzen. Da vor allem Boxley und Phillips die Anspiele ihrer Mitspieler immer wieder zu verwerten wussten, hatten sich die Hausherren in der fünften Minute eine 14:3-Führung herausgespielt.
Ulm kann danach besser ins Spiel. Die bis dato sechs Spiele in Folge sieglose Mannschaft aus der Donaumetropole suchte im Angriff ebenfalls immer wieder den Weg ans Brett und verkürzte auf 14:20, ehe der in der siebten Minute ins Spiel gekommene Danny Lewis seine ersten Punkte im LTi 46ers-Trikot erzielte. Leider stand der 37-jährige Spielmacher bei seinem gut verteidigten Distanzwurf aus dem Dribbling heraus mit einem Fuß auf der Dreipunktlinie, so dass nur zwei Punkte notiert werden konnten (22:14/9.). Abgesehen von einer Aktion in der zweiten Halbzeit, als er gegen die Ulmer Ganzfeldpresse einen Ballverlust zu verantworten hatte, strahlte der Debütant, der zwei Tage nach seiner Ankunft in Gießen etwas mehr als zwölf Minuten zum Einsatz kam, viel Ruhe beim Ballvortrag aus.
Zur Viertelpause waren die Ulmer auf 18:22 herangekommen, zwei Dreier ihres Shooting Guards EJ Gallup brachten den Gästen zu Beginn des zweiten Spielabschnitts sogar die 24:22-Führung. Basierend auf einem an diesem Abend unbändigen Kampfgeist übernahmen die LTi 46ers in der Folge aber wieder das Kommando. Symptomatisch die Aktion von Kapitän „Flo“ Hartenstein, der seine 125 Kilo nach zwei missglückten Freiwurfversuchen von Michael Umeh mit einer Art Hechtsprung nach dem Ball warf, sich den Offensivrebound sicherte, Jeff Gibbs dabei sein zweites Foul anhängte und daraufhin – nicht zum einzigen Mal an diesem Abend – mit laustarken „Har-ten-stein, Har-ten-stein“-Sprechchören der begeisterten Fans bedacht wurde.
Anschließend zeigte Bill Phillips, welch lockeres und sicheres Händchen er aus der Mittel- und Dreipunktdistanz besitzt. Vom 25:26-Zwischenstand (14.) markierte der US-Amerikaner, von seinen Mitspielern ein ums andere Mal mustergültig freigespielt, die nächsten zehn Punkte des Gießener Teams, je zweimal war er dabei von jenseits der 6,25-m-Linie und aus der Mitteldistanz erfolgreich (35:30/17.). Als wenig später Michael Umeh aus der Dreipunktedistanz nachlegte und der 46ers-Shooting Guard im darauf folgenden Angriff aus einer Penetration ein Drei-Punkt-Spiel machte, war der Vorsprung wieder auf einen zweistelligen Punktewert angewachsen (42:32/19.). Mit seinem dritten erfolgreichen Dreier besorgte Phillips die letzten Gießener Punkte in Hälfte eins – mit beeindruckend guten Stats (21 Punkte, 9 von 11 aus dem Feld, 5 Rebounds) war der 28-Jährige der überragende Spieler der ersten 20 Minuten.
Die Partie blieb auch nach dem Wechsel spannend. Was vor allem daran lag, dass bei den Gästen nun vor allem der in der ersten Hälfte nahezu abgemeldet gewesene Jeff Gibbs (1 Punkt, 4 Rebounds) zu jener Form auflief, in der man ihn in der BBL normalerweise kennt. Aus den unmöglichsten Situationen und teilweise gegen drei um einen Kopf größere Gegenspieler sicherte sich das nur 1,88 m große Kraftpaket nach Fehlwürfen seiner Mitspieler den Offensivrebound, immer wieder „wurschtelte“ der Power Forward den Ball trotz guter Verteidigung irgendwie in den Gießener Korb. 14 Punkte erzielte Gibbs zwischen der 21. und 27. Minute (61:57), am Ende hatte er mit 19 Punkten, 14 Rebounds, 4 Ballgewinnen und 3 Assists erneut unter Beweis gestellt, dass man in der BBL vollkommen zurecht „das Phänomen“ nennt.
Zwei Dreier in Folge von Ulms Guard Dru Joyce sorgten in der Schlussminute des dritten Viertels für den 63:63-Ausgleich. Eingeleitet von Obie Trotter, der eine Einzelaktion wenige Sekunden vor der Sirene zum 67:65 abschloss, startete das Gießener Team aber einen erneuten Lauf. Unter dem eigenen Korb hatten die Gastgeber nun wieder Oberwasser, was unter anderem durch Blocks von „Jo“ Lischka (bei einem Gallup-Zieher) und Gerrit Terdenge (gegen Lucas) zum Ausdruck kam, und im Angriff kamen die LTi 46ers nun auch durch Fastbreaks zu einfachen Punkten. Nach zwei verwandelten Freiwürfen von Gerrit Terdenge, der in der zweiten Halbzeit viel Verantwortung übernahm und 18 seiner am Ende 20 Punkte erzielte, führten die Lahnstädter in der 35. Minute mit 75:65.
Ulm gab sich auch jetzt noch nicht geschlagen. Nach einem Dreier von Konrad Wysocki lag die Leibenath-Truppe 95 Sekunden vor dem Ende nur noch mit 84:80 vorne. 34 Sekunden vor dem Ende musste Obie Trotter nach seinem fünften persönlichen Foul vom Feld, für ihn kam Danny Lewis in die Partie. Anschließend zeigten Dru Joyce (86:82), Mike Umeh (88:82) und EJ Gallup (88:84) an der Freiwurflinie keine Nervenschwäche. Als die Gießener daraufhin die Ulmer Ganzfeldverteidigung überliefen und Seamus Boxley bei 16 Sekunden Restspielzeit per Lay-up zum 90:84 vollendete, schien die Entscheidung gefallen zu sein, doch ein wilder Dreier von Konrad Wysocki, der nach einem Pass über das ganze Feld gegen den heranfliegenden 46ers-Verteidiger abdrückte und zum 90:87 einnetzte, sorgte weiter für angespannte Mienen unter den 46ers-Fans.
Am Ende lag es dann an Danny Lewis, für die Entscheidung zu sorgen. Acht Sekunden vor Schluss wurde der Gießener Neuzugang gefoult. An der „Linie“ demonstrierte der Basketball-Veteran jene Stärke, die ihn in der letzten Saison mit einer Trefferquote von 87 Prozent zum zweitbesten Freiwerfer der zweiten spanischen Liga gemacht hatte. Lewis traf beide Würfe und brachte den ersehnten fünften Saisonerfolg der LTi 46ers unter dem Riesenjubel der Fans damit unter Dach und Fach. Spätestens als Hallensprecher Carsten Schäfer nach dem folgenden Fehlwurf der Gäste über das Mikro verkündete, dass die Firma LTi im Anschluss an die Partie 200 Liter Freibier für die Fans spendiert, waren wohl auch jene Zahlgäste längst wieder versöhnt, die vor dem Spiel infolge von technischen und Klubseite unverschuldeten Problemen mit der Internetverbindung lange auf ihre Karten warten mussten.
Durch den Sieg liegen die LTi 46ers nach dem 21. BBL-Spieltag mit 10:32 Punkte zwei Punkte vor Abstiegsplatz 17, den weiterhin die Trierer inne haben (8:34). Am nächsten Sonntag (15 Uhr) kommt es in Trier zum direkten Aufeinandertreffen der beiden Teams.
Punkteverteilung:
LTi GIESSEN 46ers: Umeh (8), Terdenge (20), Lewis (8), Trotter (2), Lischka (3), Poiger, Robinson (beide n. e.), Phillips (25), Roessler (6), Boxley (18), Hartenstein (3).
ratiopharm Ulm: Gallup (13), Betz (4), Bailey (6), Wysocki (14), Joyce (12), Sprünken, Möbius (beide n. e.), Erege (6), Gibbs (19), Finn (7), Lucas (6).
Stimmen zum Spiel:
Mike Taylor (Cheftrainer ratiopharm Ulm): “Erstmal Glückwunsch an Thorsten und die gesamte Gießener Organisation. Das war ein wichtiges Spiel für Gießen. Die Gießener Mannschaft war sehr hungrig. Mein Team hat gut gekämpft, aber die 59-prozentige Feldwurfquote von Gießen war zu hoch und ein Schlüssel zum Sieg. Unsere Verteidigung war heute nicht ganz so intensiv, wie wir uns das vorgenommen hatten. Bill Phillips, Gerrit Terdenge und Seamus Boxley haben in unserer Zone sehr stark gespielt. Vor dem Spiel war ich der Meinung, dass wir auf den langen Positionen mit Jeff Gibbs, Bryan Lucas, Sean Finn und Konrad Wysocki Vorteile besitzen. Mein Kompliment geht also an die Post-Player des Gegners, deren gute Leistung der zweite Grund für den Sieg der 46ers ist.
Wir müssen jetzt weiter positiv denken und an uns glauben. Wir haben jetzt zwar einige Spiele in Folge verloren, aber in jedem Spiel Chancen auf einen Sieg gehabt. Wir haben ein paar Fehler gemacht oder auch wie heute nicht unsere beste Verteidigung gespielt und gegen einen derart heißen Gegner wie Gießen gerät man dann in Probleme. Wir müssen konstanter spielen.“
Thorsten Leibenath (Cheftrainer LTi GIESSEN 46ers): “Unser Gameplan war heute, den Ball nach innen zu bringen. Das haben wir heute zum ersten Mal wirklich über die gesamte Spielzeit hinweg konzentriert gemacht. Bill, Gerrit und Seamus haben eine hervorragende Leistung gezeigt. Man darf aber nicht die Spieler vergessen, die den Ball dorthin gebracht haben. Wir haben heute 15 Assists gehabt und deutlich mehr als Team gespielt als in den vergangenen Spielen. Es ist uns gelungen, den Ball nach innen zu bringen und dort auch hochprozentig zu scoren.
Trotzdem muss ich Ulm ein ganz großes Kompliment machen. Mike und seine Mannschaft haben uns einen ganz tollen Kampf geliefert. Die Art und Weise, wie sie während der Partie daran geglaubt haben, das Spiel noch gewinnen zu können, verdient höchste Anerkennung. Ganz besonders positiv herauszuheben ist Jeff Gibbs, den wir in der zweiten Halbzeit nie unter Kontrolle gebracht haben. Er ist ein unglaublicher Spieler. Wir haben es teilweise mit drei Leuten probiert ihn auszuboxen. Aber das hat ihn scheinbar nur noch mehr motiviert, die Rebounds zu holen.
Ich mache meiner Mannschaft dennoch keinen Vorwurf, dass wir das Reboundduell verloren haben. Wir haben da wirklich hervorragend gekämpft und den Gegner zu schwierigen Würfen gezwungen, was eines unserer Ziele war. Dazu haben wir hochprozentig gescort und deshalb geht der Sieg auch in Ordnung.
Ich bin ganz begeistert von Danny (Lewis). Er bringt sehr viel Ruhe in die Mannschaft. Wir sagen, er ist so ein Old-school-Spieler, mit dem Rücken zum Korb bringt er den Ball ganz entspannt nach vorne. Aber er hat absolute Kontrolle über das Spiel und mir war auch nicht bange als Obie (Trotter) in der Schlussminute mit fünf Fouls vom Feld musste. Ich wusste, er kommt aufs Feld und wird die Freiwürfe treffen. Er war in der letzten Saison in der LEB der zweitbeste Freiwerfer und er hat das ganz abgeklärt gemacht. Ich war mit seinem Debüt zufrieden, weiß aber auch, dass er, wenn er in einer noch besseren Form ist, uns noch mehr bringen wird.
Dass Seamus Boxley heute in der Startformation stand, war zum einen das Ergebnis seiner guten Trainingsleistungen, andererseits wollten wir einen großen, reboundstarken Spieler gegen Konny (Wysocki) stellen, weil Konny ein unglaublich guter Offensivrebounder ist. Das ist uns im Großen und Ganzen geglückt. Und Seamus hat Konny darüber hinaus in der Offensive unter Druck setzen können und ihn in Foulprobleme bringen können, was wir vor dem Spiel ebenfalls gehofft hatten.
Die Stimmung in der Halle war heute ganz beeindruckend. Man hat gespürt, wie die Fans mitgefiebert haben. Heute ist definitiv der Funke übergesprungen. Wir haben es geschafft, über den Kampf ins Spiel zu finden. Wir hatten einen guten Start und daraufhin war die Halle von Anfang an da. Die Unterstützung hat uns heute so richtig gepusht. Dass über 3600 Zuschauer in die Halle gekommen sind, ist sehr erfreulich. Es hat heute Spaß gemacht, vor diesem tollen Publikum zu spielen.“
Florian Hartenstein (Center LTi GIESSEN 46ers): “Dieser Sieg ist schon eine sehr große Erleichterung. Nach den vielen Niederlagen waren wir ziemlich frustriert. Ulm ist eine sehr gute Mannschaft. Wir haben bewiesen, dass wir mit Thorsten gut zusammenarbeiten, er das Team erreicht und wir alle zusammen das Gleiche wollen, nämlich Siege feiern. Nach dem Spiel gegen Köln haben wir uns zusammengesetzt und verschiedene Änderungen in unserem Spiel vorgenommen. Ich denke, dass man das heute in unserem Spiel sehen konnte. Wir haben 40 Minuten lang gekämpft und viel konzentrierter und ruhiger in der Offensive gespielt. So haben wir uns dann auch weniger Ballverluste erlaubt.“
Danny Lewis (Point Guard LTi GIESSEN 46ers): “In meiner langen Basketball-Laufbahn in Europa ist es das erste Mal, dass ich in Deutschland spiele. Die Liga ist sehr stark. Ich mag diese Gießener Mannschaft, ihre unglaubliche Energie und Einsatzkraft. Die Jungs haben heute toll gespielt, auch wenn der Gegner am Ende mächtig Druck auf sie ausgeübt hat. Auch die Fans sind hier einfach fantastisch. Sie haben mich toll empfangen und uns die wichtige Unterstützung gegeben. Heute Abend waren sie unser sechster Mann auf dem Feld.
Zwar bin ich noch nicht lange hier, aber schon jetzt fühle ich mich sehr wohl in Gießen. Die Stadt und ihre Menschen sind einfach wunderbar. Insbesondere die Ruhe und das Kleinstädtische schätze ich sehr, da ich zuvor eigentlich immer nur in größeren Städten gespielt habe.“
Bill Phillips (Center/Power Forward LTi GIESSEN 46ers): “Es ist so wichtig zu gewinnen. Nach dem Spiel gegen Köln waren die Fans sehr enttäuscht. Ich verstehe das. Genauso wie sie uns sehr viel bedeuten, legen sie auch ihr ganzes Herzblut in unsere Mannschaft. Trotzdem wünsche ich mir manchmal, dass sie nicht nur in schönen Momenten zu uns halten, sondern auch in schweren Momenten an uns glauben. Wir mögen es doch auch nicht zu verlieren.
In dieser Woche haben wir sehr gut trainiert und es geschafft, das heute Abend ins Spiel zu transportieren. Wir haben die ganze Zeit hart gearbeitet und keinen Ball verloren gegeben. Gerade gegen Ulm, eine der stärksten Reboundmannschaften in der Liga, war das eine schwierige Aufgabe. Den großen Unterschied hat sicherlich heute unsere Offensive gemacht. Wir haben uns viele Fastbreaks erkämpft und so einfache Punkte geholt.
Nächste Woche haben wir ein weiteres wichtiges Spiel gegen Trier. Ich hoffe, dass wir dort so stark auftreten wie heute. Mein Lob geht in diesem Zusammenhang auch an unseren Trainer. Er ist zwar sehr jung, aber dafür unwahrscheinlich gut.“
Bilder: Mediashots Werbefotografie.