In der zweiten Hälfte der 00er Jahre gab es für die Fans der GIESSEN 46ers wenig zu Lachen. Es schien so, als sei der Basketballgott der Meinung, dass die Mittelhessen mit der triumphalen Saison 2004/2005 erst einmal genug zu feiern gehabt hätten. Es hagelte Pleiten, Pech und Pannen und es herrschte eine hohe Spielerfluktuation an der Lahn. Umso bemerkenswerter, dass es ein Spieler aus dieser Zeit für immer in die Herzen der 46ers-Fans geschafft hat. Rouven Roessler, der Karlsruher Junge, der in seiner Heimat tief verwurzelt ist, fand dennoch zwischen 2006 und 2008 sein Glück an der Lahn, wo er All-Star und Nationalspieler wurde.
Spiele für Gießen: 58
Position: Small Forward
Punkte pro Spiel: 12,22
Trikot-Nummer: #33
Karrierestationen: Bad Bergzabern, BG Karlsruhe, GIESSEN 46ers, BG Karlsruhe, TSV Berghausen, Bad Bergzabern, Arvato College Wizards
Die spezielle Bindung zu den Fans
Mit seiner frechen, witzigen Art eroberte Roessler die Herzen der 46ers in Windeseile. Er war nie um einen Spruch verlegen und ihm nahm man ab, dass er sich voll und ganz mit dem Club und der Stadt Gießen identifiziert. Er ließ es sich beispielsweise nicht nehmen, einige Mitglieder der „HDKF“ mit Trainingseinheiten auf dem Freiplatz oder auch mal in der Sporthalle der Sandfeldschule auf ein Fanclubturnier vorzubereiten. Dort stand genauso der Spaß im Vordergrund, wie bei den zahlreichen Besuchen des ruhmreichen Musikkellers Haarlem, wo Rouven regelmäßig mit den Fans die Heimspiele ausklingen ließ. Auch in der Mensa traf man ihn oft an und konnte mit ihm einen Plausch halten. Dies sorgte dafür, dass eine Abordnung Gießener Fans im Sommer 2008 nach Halle in Westfalen fuhr, um der Länderspielpremiere von Roessler beizuwohnen.
Elf Jahre später, im Februar 2019, gastierte Roessler mit seiner Karlsruher Regionalligamannschaft bei den Gießen Pointers. Auf dem Feld zeigte der Flügelspieler, dass er es auch mit 38 Jahren noch drauf hat, ehe er im Anschluss mit einigen 46ers Fans in Erinnerungen schwelgte und sich den einen oder anderen Spruch mit seinem badischen Charme nicht verkneifen konnte. Auch bei Instagram postet „RR“ immer mal wieder Fotos, in denen er auf seine Zeit in Gießen zurückblickt.
Roessler und die Derbys
Ein Grund für das besondere Verhältnis zwischen Spieler und Fans war natürlich auch, dass Roessler die Derbys gegen den ungeliebten Rivalen aus Frankfurt ähnlich intensiv lebte, wie seine Anhänger. Unter anderem lief er mit rot gefärbten Haaren, in der er eine schwarze 46 eingefärbt hatte, in einem Heimspiel gegen Frankfurt auf. In Frankfurt sorgte er zudem für einen dieser Momente, die niemand vergessen wird, der damals dabei war. Am 7. April 2007 lieferten sich die hessischen Kontrahenten einen wahren Abnutzungskampf in der Ballsporthalle. Kurz vor Ende lagen die Hausherren mit 60:59 in Front. Roessler dribbelte den Ball über die Mittellinie, hatte die Uhr genau im Blick und entschied sich dann für eine Aktion, die nur Spieler wie er durchführen können. Er hatte bisher keinen seiner sechs Distanzwürfe getroffen, ein normaler Korb genügte ebenfalls zum Sieg – und dennoch stellte sich „RR“ seinen Gegenspieler im blauen Jersey zurecht, stieg gut einen Meter hinter der Dreierlinie zum Wurf hoch und als die Schlusssirene ertönte, küsste der Ball nichts als Nylon und die rote Wand hinter dem Frankfurter Korb explodierte. Spätestens als Roessler im Anschluss den 46ers-Schal vor dem tobenden Fanblock in die Höhe reckte, war ihm ein Platz in der Hall of Fame des Traditionsvereins sicher.
Im Herzen immer Badenser
Das Roessler zu seinen Vereinen eine tiefe Verbundenheit lebt, lässt sich daran erkennen, dass sein Aufenthalt in Gießen die einzige Station außerhalb seiner Heimatregion war. Zwar unterschrieb er, als frisch gebackener Nationalspieler, im Sommer 2008 einen Vertrag in Spanien. Diesen löste er jedoch nach kurzer Zeit wieder auf und ging zurück nach Karlsruhe, obwohl die BG damals nur in der zweiten Liga agierte. Er verbaute sich damals vermutlich die Möglichkeit, seinen vier Länderspielen noch welche hinzuzufügen, doch für Roessler war es immer wichtig, sich wohlzufühlen. Und dies tat er außerhalb des Badener Landes, wo er bis zum Sommer 2022 noch immer spielte, eben nur in Gießen.
Text: Lukas Becker