46ers-Aufsichtsratschef Yan-Tobias Ramb und Geschäftsführer Jonathan Kollmar zur Absage der Stadt, eine neue Arena bauen zu wollen
In Gießen wird keine Multifunktions-Arena gebaut – zumindest nicht mit Unterstützung der Stadtoberen. „Wir stehen am Ende des Weges der Suche nach einer großen neuen Traum-Halle. Für die Stadt ist mit diesem heutigen Tag dieser Weg deshalb abgeschlossen“, beerdigte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) am Montagabend im Haupt- und Finanzausschuss unter dem Punkt „Verschiedenes“ die jahrelangen Bemühungen der JobStairs GIESSEN 46ers um eine neue, erstligataugliche Arena beziehungsweise um den Neu-, Aus- und Umbau der altehrwürdigen Osthalle. Was bedeutet die Entscheidung der Stadt für den Basketball-Zweitligisten? Aufsichtsratschef Yan-Tobias Ramb (50) und Geschäftsführer Jonathan Kollmar (31) geben Auskunft.
Die Stadt hat sich inzwischen öffentlich gegen den Neubau einer Arena beziehungsweise gegen den Neu-, Aus- und Umbau der bestehenden Spielstätte Osthalle ausgesprochen. War diese Entscheidung absehbar oder hat sie dich überrascht?
Kollmar: Wir hatten in den letzten Monaten viele Gespräche und können mit gutem Gewissen sagen: Wir waren so nah an einem Neubau einer neuen Halle in Gießen wie noch nie zuvor. Ein Neubau war aus unserer Sicht definitiv möglich, wir sind nach der Entscheidung extrem enttäuscht. Natürlich sind bei einem solchen Objekt sehr viele Risiken im Spiel, aber genauso auch Chancen, die für die zukünftige Entwicklung unserer 46ers, aber auch für die der Stadt Gießen, einen Quantensprung bedeutet hätten. Dies ist nun erst einmal nicht mehr möglich. Als JobStairs GIESSEN 46ers hatten wir eine mögliche Miete in den Raum gestellt, die – bei Zugehörigkeit zur BBL sowie entsprechenden Vermarktungsmöglichkeiten aus einer neuen Multifunktionsarena – einen beträchtliche Betrag dargestellt hätte.
Ramb: Wir wurden in der vergangenen Woche vorab darüber informiert und versuchen seitdem, unsere große Enttäuschung zu verarbeiten. Nach einem so langen Vorgang – das Thema liegt nunmehr über 20 Jahre auf dem Tisch – mit immerwährenden neuen Vorschlägen in alle Richtungen sowie einem aktuellen umsetzungsfähigen Konzept, müssen wir uns durchaus etwas berappeln. Zum Sport gehört aber auch der unbedingte Wille, einen Rückstand zu drehen, und wir versuchen seitdem fieberhaft, gedanklich neue Ansätze zu finden. Wir verstehen, dass ein solcher Vorgang große politische Herausforderungen beinhaltet, glauben aber daran, dass sich bei großem Willen aller Beteiligten mit viel Team-Play andere Türen öffnen werden. So haben wir die Zusage für einen Zuschuss (in Höhe von fünf bis sechs Millionen Euro, Anm. d. Red.) entsprechend positiv wahrgenommen und sind der Überzeugung, dass dieser noch aufgestockt werden muss, insbesondere durch eine regelmäßige jährliche Unterstützung.
Was bedeutet die Entscheidung der Stadtoberen für die JobStairs GIESSEN 46ers? Mittelfristig und langfristig …
Ramb: Diese Entscheidung hat leider das Potenzial, die Zukunft des Basketballs – so wie wir ihn in Gießen kennen und lieben – maßgeblich zu verändern. Schon jetzt sind die infrastrukturellen Probleme immens. Ich kann allerdings nicht glauben, dass wir nun ganz stehenbleiben. Wir werden nicht aufgeben, nach alternativen Lösungen zu suchen. Unsere JobStairs GIESSEN 46ers sind einer der ganz großen Botschafter dieser Stadt und tragen unfassbar viel zur Identität und Markenbildung der gesamten Region bei. Um diesen kulturellen Schatz weiß auch die Politik.
Kollmar: Mittelfristig heißt das, dass wir in den kommenden Jahren in der Osthalle Basketball in der ProA sehen können. Allerdings bedeutet es aufgrund der nun fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten, die eine große Multifunktionsarena mit sich gebracht hätte, dass wir langfristig definitiv keinen Bundesliga-Basketball mehr in Gießen sehen werden.
Im Zuge einer immer größer werdenden Professionalisierung der ProA dürfte auch die Osthalle zu einem Auslaufmodell werden. Wie lange ist Profi-Basketball in dieser Halle noch möglich?
Kollmar: Unsere Fans sind sensationell und bringen eine einmalige Atmosphäre mit, die durch die Enge auf und die Nähe der Ränge zum Spielfeld der Osthalle möglich wird. Dafür sind wir deutschlandweit bekannt, das macht mich stolz. Diese Stimmung gilt es weiter auszubauen, so dass wir schauen, wie wir mit den Gegebenheiten das Maximum erzielen können. Es gibt Überlegungen, was in der Halle erneuert werden kann, und hierfür haben wir mit der Stadt Gießen noch einmal geschaut, dass bis zum Saisonstart 2024/25 Änderungen in der Halle vorgenommen werden, die unsere Zuschauer auch leibhaftig wahrnehmen werden.
Ramb: Mittelfristig könnte es innerhalb der ProA Möglichkeiten geben, in der Osthalle durchzuhalten. Langfristig sehen wir allerdings auch hier viele Herausforderungen. Ein Wideraufstieg in die BBL könnte uns hingegen auch schon kurzfristig vor ein erhebliches Problem stellen. Wir brauchen also alternative Lösungsansätze. Hier ist entsprechend auch die Stadt weiter stark gefragt. Anhand des Beispiels Wetzlar haben wir übrigens gesehen, dass die Stadt ihren dauerhaften Anteil an der Spielstätte trägt und die vielen Vorteile daraus durchaus auch wahrnimmt.
Die Osthalle hat inzwischen zahlreiche bauliche und infrastrukturelle Mängel, unter anderem ist die Gästekabine seit über einem halben Jahr nicht benutzbar. Gibt es Zusagen, wann Abhilfe geschaffen wird?
Kollmar: Nach unserem Informationsstand wird die Gästekabine nach den Osterferien nutzbar sein.
Ramb: Es gibt Zusagen seitens der Stadt, die vielen Mängel anzugehen, einige davon müssen auch dringend in Angriff genommen werden. Wir werden also das Beste daraus machen, um das Erlebnis Osthallen-Basketball für die vielen Fans, Gäste und Besucher zu verbessern.
Nochmals zur Klarstellung: Ist es unter den beschriebenen Umständen überhaupt denkbar, dass die 46ers mittelfristig wieder der BBL angehören können?
Ramb: Untrennbar zum Sport gehört es, sich stets weiterzuentwickeln und nach oben zu schauen. Die Grundlagen und Notwendigkeiten hierfür sind sehr vielfältig. Nun haben wir eine neue und ganz erhebliche Herausforderung.
Mit „Tod oder Gladiolen“ hat der niederländische Fußballtrainer Louis van Gaal einst bei Bayern München ein im Sport geflügeltes Wort kreiert. Kann dies für die 46ers bedeuten: Künftig entweder Regionalliga-Basketball oder ein Umzug in eine andere Spielstätte, in eine andere Stadt?
Ramb: Basketball gehört einfach zu Gießen. Neben der Etablierung als Gründungsmitglied der Bundesliga 1966 tragen wir darüber hinaus bekanntlich das Gründungsjahr des MTV von 1846 im Namen. Als großer Gießener Basketballfan und in meiner Tätigkeit als Markenberater sehe ich ganz erhebliche Risiken, den Spielort dauerhaft zu verlagern. Es würde einfach die Identität nach und nach stark verändern oder könnte sich sogar in Richtung Auflösung entwickeln.
Kollmar: Die JobStairs GIESSEN 46ers gehören nach Gießen. Etwas anderes war auch für mich lange nicht vorstellbar. Aber ganz klar, wir müssen alle Möglichkeiten, wie zum Beispiel einen Umzug in eine andere Stadt, analysieren, durchrechnen und dann bewerten, was für uns das Beste ist, um in eine Zukunft blicken zu können. Hierfür müssen wir uns trauen, mutig zu sein. Fans, Gesellschafter und Sponsoren möchten wir mitnehmen und entscheiden, welchen Weg wir gehen. Genauso müssen wir die Kosten eines solchen Großprojekts noch einmal prüfen. Vielleicht ist eine Umsetzung in einem kleineren Rahmen, als dies in der Machbarkeitsstudie vorgestellt wurde, möglich.
Gibt es dazu bereits Überlegungen oder sogar Gespräche?
Ramb: Wir können uns durchaus vorstellen, mal einen Spieltag in einer großen Halle unserer Nachbarstadt Wetzlar durchzuführen. Viele Fans kommen aus der ganzen Region, Sponsoren ziehen viele Vorteile daraus und es trägt darüber hinaus noch zur regionalen gemeinschaftlichen Identität bei. Einen dauerhaften Spielbetrieb sehe ich aus oben genannten Gründen persönlich allerdings nicht.
13.03.24